
Das Foto ging um die Welt und ist mittlerweile in allen großen deutschen Zeitungen (darunter auch BILD) abgedruckt: Die Machthaber der freien Welt versammelten sich am Mittwochmorgen zu einem Krisengipfel. Die zentrale Figur, obwohl am linken Rand stehend: Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD).
Die Mächtigen der westlichen Welt diskutieren gespannt darüber, was Raketeneinschläge in Polen wenige Stunden zuvor bedeuten für die Welt: Weltkrieg oder ein bisschen Frieden?
Zustandsfoto: überall!
Das viel diskutierte Foto entstand am Rande des G20-Gipfels auf Bali, als die Welt nicht wusste, wo genau die Raketen herkamen, die zwei Bauern in Polen töteten: aus Russland oder aus der Ukraine?
US-Präsident Joe Biden lud die anderen fünf anwesenden Nato-Staatschefs für den Vormittag in das Hotel seiner Delegation, das Grand Hyatt, ein. Führungskräfte aus Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Kanada und Spanien versammelten sich um einen runden Banketttisch im Ballsaal. Auf dem Foto sitzen nur der Gastgeber Joe Biden und der britische Premierminister Sunak (auf dem Foto sind sie von hinten zu sehen). Da sind: Bundeskanzler Olaf Scholz, Spaniens Sanchez, Frankreichs Macron, Kanadas Trudeau.
Und fast alle Augen sind auf oder in Richtung Scholz gerichtet!
Der Westen sucht also Rat bei unserer Kanzlerin? Ist er der tonangebende Mann für die Schocksekunde?
Man könnte sogar denken. Und das sollten Sie wahrscheinlich.
Denn das Bild ist Regierungs-PR. Aufgenommen wurde sie nicht von einem Fotografen – sondern vom Sprecher der Regierung Scholz, Steffen Hebestreit. Und seit Jahren ist er für das Ansehen eines SPD-Politikers verantwortlich.
Der Herr und sein PR-Mann: Bundeskanzler Olaf Scholz mit seinem Sprecher Steffen Hebestreit
Foto – es ist ein Spagat zwischen professioneller Scholz-Lackierung und dem Blick durchs Schlüsselloch. Fotografen kommen solchen historischen Momenten nie nahe. Also nimm was du kriegen kannst. Besser mit den Augen eines PR-Strategen sehen, als gar nichts zu sehen.
Alles nur PR!
Kommunikationsprofessor Klaus Kocks (70, ehemaliger VW-PR-Chef) zu BILD: „Es sollte wie eine Privataufnahme aussehen, aber es wurde inszeniert, abgestimmt mit den PR-Stabs anderer Staatsoberhäupter.“
PR-Experte Klaus Kocks (70): „Papa und Onkel halten …“
Kocks’ gnadenloses Urteil: “Das Bild ist eine dreiste Lüge!”
Und: „Hier werden wir behandelt wie Kinder im Sturm – die Botschaft zu vermitteln: Keine Angst, Papa und Onkel kümmern sich darum.“
Immo von Fallois (60), Chef der strategischen Kommunikationsberatung WMP Eurocom, sieht ein Foto, dessen Post sich auf eines konzentriert: „Es ist ein Foto, das bleiben soll: eine Ikone.“
Clip: “Extrem clever.”
Die Botschaft des Fotos, so von Fallois: „geballte liberale Kraft, nachdenklich, entschlossen, selbstbewusst.“ Und mittendrin: die deutsche Bundeskanzlerin.
Spin Doctor Immo von Fallois (60): Foto von Scholz? “Symbol!”
G7-Foto mit Donald Trump: So geht Regierungs-PR!
Bei seinem gelungenen G20-Foto von Bundeskanzler Scholz ist Steffen Hebestreit nicht ohne Vorbilder: Die PR-Mitarbeiter der Mächtigen arbeiten mit diesen sogenannten „Handouts“, also mit den Fotos, die verteilt werden.
Eines der bekanntesten Beispiele: Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Donald Trump beim G7-Gipfel in Kanada im Juni 2018 – beide flankiert von der Britin Theresa May (nicht mehr im Amt), Frankreichs Macron und Japans Shinzo Abe (ermordet 2022). ).
Kanzler in der Mitte. Beim G7-Gipfel in Kanada 2018 knipste der Fotograf des Bundespresseamtes, Jesco Denzel, dieses Foto der dynamischen Kanzlerin, die sich scheinbar über Trump beugte. Schwer zu erkennen: Frankreichs Macron (3. von rechts, halb verdeckt) und Trump-Berater John Bolton (hinter Trump stehend) sprechen.
Und dieses Foto ging um die Welt. Dieses Foto wurde auch in allen großen deutschen Zeitungen veröffentlicht. Und dieses Foto vom G7-Gipfel in Kanada 2018 zeigt deutlich, wie PR von Seiten der Regierung funktioniert, wie jeder PR-Mensch auf sein eigenes Staatsoberhaupt fokussiert.
▶︎ Foto der deutschen Nationalmannschaft: Der Kanzler in der Mitte lehnt sich schwer über den Tisch in Richtung Trump, der die Arme verschränkt. Sie gibt den Ton an, der Rest hängt von ihr und dem Amerikaner ab.
▶︎ Foto des Teams USA: Trump im Zentrum, andere unscharf um ihn herum.
Die Situation aus US-Sicht. Unscharf in der Mitte: Donald Trump. Aber: Die anderen Staatsoberhäupter sind entweder gar nicht oder noch verdeckter oder mit dem Rücken zur Kamera. Ganz wichtig: Das ungeliebte Deutsch wird komplett ausgeblendet
▶︎ Frankreich: Merkel deckt, Macron dominiert die Szene.
Die Situation aus Sicht Frankreichs. Macron in der Mitte – redend, gestikulierend – auf jeden Fall wichtig. Trumps Stirnfalte ist nur im Halbdunkel rechts unten im Bild zu sehen, Merkels einzige Frisur und hellblauer Blazer
▶︎ Italien: der damalige Regierungschef Giuseppe Conte – übrigens auf keinem der Fotos zu sehen – aber er ist hier wichtig.
Foto-Pech in Italien: Giuseppe Conte steht am linken Bildrand unbeleuchtet und im Halbprofil – aber immerhin mit Papier und Stift
▶︎ Kanada und Japan haben ebenfalls ihre Sicht auf die Szene gepostet: Der Kanadier Justin Trudeau ist zwar immer noch am Abgrund, aber aktiver und der einzige direkt neben dem damals mächtigsten Mann der Welt, Donald Trump. Der Japaner Abe (ermordet am 9. Juli 2022) lehnt aktiv neben der herabblickenden Merkel auf dem Tisch – zwischen Kanzlerin und Trump.
Das Siegerbild aber stammt von Merkel-Fotograf Denzel. Deshalb legte Trump Tage später nach – mit einer vierteiligen Fotostrecke, die verdeutlichen sollte: It’s me, I Matter, I shaked him.
Nur im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda gilt Gorbatschows klug formulierte (und wahrscheinlich nie ausgesprochene) Zeile: “Wer zu spät kommt, wird lebenslang bestraft.”
An Denzels Foto von Merkel wurde erinnert…