Forschung und Aktivismus : Was Wissenschaft bewegen kann

Ob Kartoffelpüree, das ein Umweltaktivist auf ein Monet-Gemälde wirft, Kunsthistoriker erzürnt oder transphobe Äußerungen auf dem Campus protestiert: Aktivismus hat auch etwas mit Wissenschaft zu tun. In Zeiten von gesellschaftlicher Polarisierung, Krieg und Klimakrise ist es schwieriger, wissenschaftliche Arbeit als apolitischen Raum abseits des Weltgeschehens wahrzunehmen.

Die meisten Forscher scheuen sich jedoch davor, sich als Aktivisten zu bezeichnen. Das zumindest hat der Soziologe Armin Nashi von der LMU München bei einer Diskussion in Berlin getan. Auch seine Disziplin sei „eine sehr coole Figur“, die durchaus politisch sei, „aber nicht engagiert“.

Darüber diskutierte Nashi mit der Philosophin Eva von Riedker anlässlich einer Tagung mit dem Titel „Aktivität und Wissenschaft“ am Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL). Nashi und von Ridker sind oft als Forscher in den Medien, kommentieren politische Entwicklungen: ob zur Digitalisierung, zum Klimawandel, zur vermeintlichen Absagekultur an Universitäten oder zur gesellschaftlichen Lähmung angesichts von Krisen

In ihrem Berliner Gespräch beziehen Nashi und Ridker viele Unter- und Metaebenen mit ein, um eine kritische Distanz zu ihren Rollen zu wahren – wie es sich für gute Wissenschaftler gehört. Nashi betonte, dass das Dilemma der Politik dem Chaos und der Fragmentierung des Geschehens niemals gerecht werden könne. Um überhaupt konkrete Forderungen und Pläne zu formulieren, müsse er “mit weitaus mehr Opfern rechnen, als es in einer komplexen Welt gegeben wäre”.

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Die „Wenn-Dann“-Formel, die politischen Entscheidungen zugrunde liegt, funktioniert in den meisten Fällen schlichtweg nicht, weil auch Unberechenbarkeit eine Rolle spielt – und vor allem die „Trägheit des Systems“, das nach eigenen Regeln operiert. wie Verwaltungsvorschriften und Machtstrukturen. Laut dem Systemtheoretiker Nashi ist politisches Handeln zumindest teilweise zum Scheitern verurteilt.

Mit Bezug auf die philosophische Schule der kritischen Theorie fügte Ridker hinzu: Auch ihr Ausgangspunkt sei das „Scheitern der Revolution“. Neben der feministischen Theorie war sie vor allem von der Methode der Frankfurter Schule geprägt, der Methode, mit der Max Horkheimer und Theodor Adorno vor fast hundert Jahren die kapitalistische Ideologie demontierten.

Am Donnerstag diskutierten die Philosophin Eva von Ridker und der Soziologe Armin Nashi in Berlin darüber, wie sie als Wissenschaftler und öffentliche Intellektuelle auf politischen Aktivismus reagieren.
Am Donnerstag diskutierten die Philosophin Eva von Ridker und der Soziologe Armin Nashi in Berlin darüber, wie sie als Wissenschaftler und öffentliche Intellektuelle auf politischen Aktivismus reagieren.
© Naguschewski/ZfL

Der Philosoph wollte sich kaum mit dem Soziologen streiten. Dennoch hat Rediker, was die Wirkung politischen Handelns betrifft, generell ein rigideres Gesellschaftsbild als Nasahi. In seinem Buch „Revolution for Life“ sucht er am Beispiel von Bewegungen wie „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter“ nach Alternativen zu einer Gesellschaft, in der Privateigentum und Wirtschaftswachstum existieren.

Aber er betonte auf dem Podium, dass er auf keinen Fall die Rolle des “Aktivisten” spielen wolle. Und er hat mehrfach erklärt, dass er Wissenschaft und Aktivismus auch lieber in getrennten Sphären sieht: Wenn das eine das andere zu sehr beeinflusst, wird dies die Qualität von Aktivismus und wissenschaftlicher Praxis gefährden.

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Die Universität ist kein unpolitischer Raum

Beide waren sich einig, dass die Universität keineswegs eine neutrale oder gar unpolitische Zone sei. Und dieser eine Berührungspunkt zwischen Aktivismus und Wissenschaft ist wohl der “emanzipatorische Ansatz”. Darauf kamen Nashi und Ridker immer wieder zurück, wenn sie ihr Image und ihre Arbeitsweise erklärten.

Sein Engagement setzt nach Ansicht Nahishs dort an, wo sich eine „Verbindung“ herstellen lässt zwischen seiner Theorie und etwa der Politikberatung, für die er gelegentlich tätig ist. Und er tut dies, indem er „moderat“ spricht, also für Laien verständlich ist. Sein bescheidenes Ziel war: „möglichst viel klares Wissen in die Köpfe der Menschen zu bringen“.

Ich möchte so viel Wissen wie möglich über die Unterscheidung ins Gedächtnis rufen.

Armin Nashi, Soziologe LMU München

Wenn es nach Ridker geht, sollte die Tatsache, dass sich beispielsweise am Klimawandel trotz einer absehbaren Katastrophe fast nichts ändern wird, die treibende Kraft hinter diesem Kampf sein – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Wissenschaft. Im Gegensatz zu Nashi hat Ridker der Universität nun den Rücken gekehrt. Er sagte in der Debatte, er halte die deutsche Philosophie für besonders rückständig: Mit seinem Fokus auf die Geschlechtertheorie könne man kaum auf eine Professur hoffen.

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Da in vielen Bereichen der Wissenschaft „krankhafter Feudalismus und Turbo-Neoliberalismus“ vorherrsche, blieben sie nicht lange dort. Bei aller „Hyperaktivität“ und dem harten „Wettbewerb“ bleiben grundlegende Fragen oft außen vor. Ridker sagt, er habe irgendwann in seiner Karriere nicht mehr den Mehrwert darin gesehen, die „nächsten 20 Meter des Regals“ in Publikationen abzuarbeiten, sondern das Bedürfnis verspürt, praktisches Wissen in seine gesellschaftlichen Überlegungen einzubeziehen.

Heute ist Ridker als freiberuflicher Philosoph erfolgreich und kann von seiner intellektuellen Arbeit als Schriftsteller leben. Konsens herrschte auf dem Podium jedenfalls darüber, dass, wie Nashi sagte, “manchmal Universitäten Teil des Problems sind”. Es blieb der Eindruck: Wenn es zu schwierig ist, die Gesellschaft insgesamt zu verändern, kann man vielleicht bei den Universitäten ansetzen.

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