
Filme, die die Werte und Ideale der 68er-Generation nicht mehr so sympathisch thematisieren, wie es im Kulturbetrieb seit Jahrzehnten üblich ist, haben in den letzten Jahren einen deutlichen Aufschwung erlebt. Zweifellos kommt dies von der einfachen Erkenntnis, dass man, um Abraham Lincoln zu paraphrasieren, alle Menschen (einschließlich sich selbst) eine Zeit lang und einige Menschen (einschließlich sich selbst) die ganze Zeit über täuschen kann, aber nicht die ganze Zeit. Zeit. Aufgrund der jüngsten Misserfolge der politisch aktiven Regenbogenliga werden die Zuschauer wohl eine ganze Reihe von satirischen oder sarkastischen Artikeln erhalten.
Regisseurin Hanna Doose geht in dem Film, für den sie „When You Kiss My Wounds“ geschrieben hat, einen Mittelweg: Sie blickt freundlich auf ihre drei strauchelnden Helden, die Schwestern Kathi (Katarina Schröter), Maria (Bibiana Beglau) und Laura (Gina Henkel), verbirgt aber nicht die fatalen Ursachen der widrigen Ereignisse, die ihr Leben auf den Kopf gestellt haben.
Ihre Mutter, eine Künstlerin mit einer typischen Biographie der 68er-Generation, hat sich vor vielen Jahren das Leben genommen. Der Vater wird nie erwähnt. Als die alten Skulpturen der Mutter ausgestellt werden, sagt die Nachbarin: “Es ist schrecklich.” Damit meint er aber nicht die Kunst, sondern die Tatsache, dass die Mutter ihre Töchter der Kunst zuliebe völlig vernachlässigt.
Der Hof im Schwarzwald, auf dem seltsame Skulpturen ausgestellt sind, gehört gemeinsam drei Schwestern. Laura, die jüngste von drei Geschwistern, züchtet dort Ziegen. Das Herz ihres Mannes Jan (Alexander Fehling) schlägt allerdings weniger für Bio-Ziegenmilch als für sein privates Tonstudio, das er sich selbst in einer Bauernstube eingerichtet hat. Da die Liebe zwischen den beiden längst abgekühlt ist und die 42-Jährige endlich ein Kind will, betrügt sie Jan mit dem Gastwirt Michi (Godehard Giese).
Selbstfindung am Rande des Wahnsinns
Was diese drei Schwestern zu Beginn der SWR-Koproduktion wirklich verbindet, ist das Damoklesschwert, das über der ältesten Schwester Kathi schwebt. Er leidet an einer lebensbedrohlichen Krebserkrankung. In seiner Verzweiflung sucht er Erlösung in schamanischen Ritualen. Mit einer schwarzen Augenmaske wandert sie durch die nahen Berge, behandelt Verbrennungen mit der Kambo-Ritualtherapie, die sie von den Ureinwohnern abgeschaut hat, und bereitet Kräutertees zu.
Während Kathi sich in ihren nutzlosen Gottesdiensten verliert, rechnen Maria und Laura miteinander ab. Jan war bei Maria, als die Schwestern als Bühnenmusikerinnen in Berlin erfolgreich waren, bevor Laura es ihr stahl. Schließlich stellt sich auch heraus, dass Maria, die zuletzt in Berlin als Videokünstlerin an einem LGBT-Projekt gearbeitet hat, beruflich in Turbulenzen steckt und die Miete nicht mehr bezahlen kann.
Fast zu viel Umweltklischee der 68er-Generation
Es gibt fast zu viele Umweltklischees, die Hanna Doose in das Drehbuch ihrer vom Zerstörungsgeist der 68. Generation geprägten Figuren eingeschrieben hat. Egal, welche Rezepte Kathi, Maria und Laura ausprobiert haben und erneut versuchen, wenn sie zusammen im Schwarzwald sind: Bio-Anbau, Promiskuität, Drogen, Esoterik, Mystik – nichts wirkt gut, nichts hilft, nichts löst aus. Vielmehr wird alles nur noch schlimmer.
Es ist überwältigend, wie schwer diese drei Schwestern das schwere Erbe ertragen müssen, das ihnen ihre verantwortungslose Mutter hinterlassen hat. Das ist der sprichwörtliche Mühlstein um deinen Hals, der dich jeden Moment endgültig in den Abgrund ziehen kann. In diesem verstörend realistischen Film bleibt der im Titel des Films zum Ausdruck kommende Hilferuf ungehört. Denn wer kommt?
————————————–
Filmstart ab “Wenn du meine Wunden küsst” es ist der 2. Februar.
JF 23.05