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Wie ein britischer Künstler in einem Antiquitätengeschäft einen vermeintlich verschollenen Giacometti-Kronleuchter fand.
Aus 300 Franken nach reiner Ahnung Millionen zu machen, davon können selbst die klügsten Börsengurus nur träumen. Der britische Künstler hat genau das getan. Allerdings sollte er selbst nicht zu viel davon haben.
Als der britische Maler John Craxton in den 1960er Jahren die Londoner Marylebone Road entlangging, bemerkte er einen besonderen Kronleuchter im Fenster von Denton’s. Das Dekorationsobjekt kam mir bekannt vor. Craxton war überzeugt, dass der Kronleuchter einst von seinem Freund Peter Watson in Auftrag gegeben worden war – bei dem Schweizer Künstler Alberto Giacometti.
Der mutmaßliche Künstler kaufte den Kronleuchter für rund 300 Franken. In wenigen Wochen könnte es für 8 Millionen Franken versteigert werden.
Posthume Zufriedenheit
Die Herkunft des schmiedeeisernen Kronleuchters wurde schließlich nach einer Untersuchung des Auktionshauses Christie’s in Paris bestätigt. Es ist das Werk von Alberto Giacometti aus den 1940er Jahren. Sein Schätzwert liegt zwischen 1,7 und 2,9 Millionen Franken.
Doch das ist laut Christie’s-Expertin Michelle McMullon eine konservative Schätzung: 2018 wurde ein vergleichbarer Bronzelüster von Giacometti für umgerechnet CHF 8’679’830 versteigert.

Legende:
Schöne Kunst hat ihren Preis: Bronzeleuchter von Giacometti bei der Auktion 2018.
Bilder imago/ZUMA Press
Dass Craxton mit seinen Ahnungen recht hatte, konnte er nicht mehr nachempfinden. Der Künstler starb 2009. Stattdessen setzte sich der „Craxton Memorial Trust“ für die Klärung der Herkunft ein und konnte letzte Zweifel ausräumen.
Ursprung mit Lücken
50 Jahre lang schmückte der Kronleuchter Craxtons Zuhause im noblen Londoner Hampstead. Zuvor hing es in der Lobby des Literaturmagazins „Horyzont“, das die Aufmerksamkeit von Namen wie George Orwell und Dylan Thomas auf sich zog. Das Magazin wurde von Craxtons Freund Watson mitbegründet.
Laut dem britischen Guardian nahm Watson die Anlage 1946-1947 während einer Europareise mit Giacometti in Betrieb. Denn Watson war nicht nur Verleger, sondern auch ein bedeutender Sammler zeitgenössischer und surrealistischer Kunst aus Kontinentaleuropa.
Später förderte er auch britische Talente wie Henry Moore und Lucian Freud. John Craxton war auch einer seiner Favoriten. Als das Horizon-Lager schließlich geschlossen wurde, wurde der Kronleuchter aus Craxtons Haus entfernt und eingelagert. Bis heute ist nicht klar, wie er in das Londoner Antiquitätengeschäft kam.
Zwei Künstler, eine Wertsteigerung
Auch wenn Alberto Giacometti eher für seine Figuren bekannt ist, haben die Schweizer etwa ein halbes Dutzend Kronleuchter geschaffen. Aber der Kronleuchter für Peter Watson ist der einzige mit einer so ungewöhnlichen Geschichte, sagte der Kunstexperte James Glennie dem Guardian.
Die schwebende Kugel erinnert an Giacomettis berühmte surrealistische Skulptur „La Boule suspendue“. Dies unterstreicht seine Bedeutung. Die Tatsache, dass Giacomettis Werk im Haus eines anderen berühmten Künstlers ausgestellt ist, trägt nur zu seinem Wert bei.