
Pistorius: Scheideweg zwischen AfD und „Reichsbürgern“


Prinz Heinrich XIII. Reuss (zweiter von rechts) wird bei einer Razzia gegen sogenannte “Reichsbürger” in Frankfurt/Main von maskierten Polizisten abgeführt.
Quelle: Boris Rössler/dpa
Der niedersächsische Innenminister hält die AfD für „teilweise rechtsextrem“.
NNiedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sieht eine inhaltliche Überschneidung zwischen AfD und „Reichsbürgern“. „Ein Reichsbürger ist nicht automatisch AfD und umgekehrt. Aber es gibt große Überschneidungen – von der Ablehnung unseres Landes über die pro-russische Haltung bis hin zur Amerikafeindlichkeit“, sagte er der Bild am Sonntag.
Die AfD schafft es immer wieder, aus solchen Bewegungen Treibstoff für die eigene Politik zu gewinnen. “Deshalb müssen wir das ernst nehmen und die AfD sehr genau beobachten, die da der Katalysator ist.”
Pistorius sagte: “Ich denke, die AfD ist größtenteils rechtsextrem.” Auch in Landesverbänden wie Niedersachsen, die noch vor wenigen Jahren als relativ moderat galten, gebe es eine “deutliche Bewegung” in Richtung Rechtsextremismus. Die Zeit für ein Verbot der AfD ist noch nicht gekommen. „Aber wir müssen schauen, prüfen und sammeln, damit wir den Punkt nicht verfehlen“, sagte Pistorius.
Auch Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen mutmaßliche Verschwörer aus der „Reichsbürger“-Szene haben die Debatte um Extremisten im öffentlichen Dienst angeheizt. Der Generalverdacht gegen Angehörige der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr sei unangebracht, sagte der Präsident des Reserveverbandes Patrick Sensburg der „Rheinischen Post“ (Samstag).
Notwendig sei jedoch ein „viel konsequenteres Vorgehen“ gegen Menschen wie einen der Festgenommenen, einen ehemaligen Offizier. Er sei bekannt für seine Ansichten, es werde ein Strafverfahren gegen ihn geführt, „und er läuft immer noch in Uniform durch die Lande und verbreitet mit voller Rente seine kruden Theorien“. Solche Personen sollten viel schneller aus dem Dienst entfernt werden, einhergehend mit der Abschaffung der Beamtenprivilegien.
„Zweitens brauchen wir mehr Sensibilisierungsmaßnahmen in den starken Einheiten der Bundeswehr, der Polizei und anderer Sicherheitsbehörden“, sagte Sensburg. Angehörige des Kommandos Spezialkräfte und des Sondereinsatzkommandos der Bundeswehr haben einen harten Job, sind schwer bewaffnet und verstehen sich zu Recht als Elite. „Das kann aber dazu führen, dass sie sich ausziehen und denken, sie seien etwas Besseres als die üblichen Regeln“, warnte der Leiter des Reservistenverbandes. Das sollte nicht passieren.
Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwoch 25 Personen festgenommen, darunter ehemalige Beamte. Sie wirft den 22 Festgenommenen vor, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Die drei anderen Festgenommenen sollen Fans sein. Die 23 in Deutschland festgenommenen Verdächtigen sitzen seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach auch über 27 weitere Verdächtige. “Reichsbürger” sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen.
Unter den Beschuldigten ist ein Staatssicherheitsbeamter des Landeskriminalamtes (LKA) Niedersachsen, der aufgrund der strafrechtlichen Ermittlungen seines Amtes enthoben wurde. Das niedersächsische Innenministerium teilte am Freitagabend mit, dass der Beamte „schon lange keine Dienstaufgaben mehr für das LKA Niedersachsen wahrnimmt“. Unter den Festgenommenen ist nach dpa-Informationen ein bereits entlassener Polizist. Gegen das entsprechende Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover legte der auch als Corona-Leugner bekannte Mann Berufung ein.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will noch in diesem Jahr anderen Ressorts der Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Entlassung von Extremisten aus dem Beamtenverhältnis beschleunigen soll. Dazu gehört angeblich unter anderem, dem betroffenen Arbeitgeber direktere Handlungsmöglichkeiten einzuräumen.
„Auf allen Ebenen des Staates bedarf es einer hohen Sensibilität für die Verfassungstreue der Beamten“, sagte Unions-Innenpolitiker Christoph de Vries (CDU) am Samstag. Sein Abgeordnetenklub werde aber auch darauf achten, “dass nicht gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen und Beamte nicht vorzeitig und leichtfertig aus dem Staatsdienst entfernt werden”.
Die bei den jüngsten Ermittlungen aufgedeckten Putschpläne zeigten, dass die sogenannten Reichsbürger eine reale Bedrohung seien, sagte ein CDU-Bundestagsabgeordneter. Daher ist es unzulässig, Informationen über bevorstehende Razzien frühzeitig und breit zu „streuen“. Befürchtung, dass auch der Beschuldigte von den geplanten Durchsuchungen erfährt und dadurch möglicherweise die Möglichkeit hat, Waffen oder andere Beweismittel loszuwerden.