Webereien aus dem WorldWideWeb: Margret Eicher – die Auftragsdiebin

Lady Gaga, Lego-Soldaten, Joker – vereint im Bilderrausch, alles monumentale, gewebte Teppiche. Die 30 Meter lange Mediencollage Battle:Reloaded von Margret Eicher ist im Kunstmuseum Moritzburg in Halle zu sehen. ntv.de hat die Konzeptkünstlerin in ihrem Berliner Atelier besucht.

Er stiehlt schamlos digitale Bilder für seine Kunst. Es richtet sich an Stars der Popkultur und die Medien. Nichts, was ständig und Tag für Tag in den Nachrichten und den unendlichen Weiten des Internets um Sie herum kursiert, ist davor sicher. Margret Eicher setzt die gesammelten Bilder in komplexen digitalen Prozessen am Computer neu zusammen, interpretiert so die mediale Realität und verwebt sie zu überraschenden Wandteppichen in Belgien. Die Künstlerin bezeichnet sich selbst als „Auftragsdiebin“. „Ich handele in meinem eigenen Namen. Ich werde jeden Tag mit ungewollten Bildern überflutet, ich kann sie nicht vermeiden“, erklärt ntv.de bei einem Studiobesuch in Berlin.

Es liegt mitten in Berlin in einer ruhigen Seitenstraße des Kurfürstendamms. Er öffnet fröhlich die Tür und lädt Sie ein. Ihr Atelier ist gleichzeitig ihre Wohnung, denn alles, was sie braucht, ist ein Schreibtisch mit großem Computerbildschirm. Die Künstlerin arbeitet seit zwanzig Jahren rein digital und hat das Handwerk selbst erlernt. „Am Anfang war ich ziemlich dumm und hatte Nervenzusammenbrüche“, sagt sie lachend. Sie lebte damals noch in Süddeutschland, und Freunde, die eine Kommunikationsagentur besaßen, boten ihr einen Job an.

Webt aus dem Netz

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Werden die Menschen am Ende des großen Wandteppichs mit Virtual-Reality-Brille in eine gute Zukunft sehen?

(Foto: Juliane Rohr)

Aktuell nutzt er gekonnt den „unendlichen Kosmos“ der digitalen Bildverarbeitung. Verwenden Sie es, um Ihre Symbole, Helden und Pathosformeln aus dem Internet in lästige Gewebe zu verwandeln. Sie interessiert sich für Zusammenhänge, die Bedeutung bestimmter Phänomene und die Oberflächlichkeit des schnellen, blasphemischen Konsums von Fragmenten. Margret Eicher bleibt meist allein über der Erde: „Star Wars oder die Lara-Croft-Filme schaue ich mir nicht an“, lacht sie, „aber die hohe Identifikation mit diesen Charakteren ist spannend. Sie sind Idole, genau wie vergangene Kriegshelden, Fürsten oder Bischöfe. Sie sind das moderne Äquivalent, die meisten Politiker sind dagegen zu bodenständig.

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Durch das Hinzufügen von Illustrationen entsteht ein beeindruckendes Kunstwerk. Und obwohl das Material, das sie verwendet, so traditionell und daher beeindruckend ist, ist es nicht das Textil, das sie anspricht. „Mich interessiert nur ein Zitat aus einer Bildform in einem Hofteppich. Schon im 16. und 17. Jahrhundert war es ein Kommunikationsmittel bei Hofe. Gesellschaft. Ich könnte meine Arbeit auch digital drucken, aber das reicht nicht. Ich möchte, dass klar ist, was los ist.”

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Mediendiva Scarlett Johansson als Vermeers berühmtes Mädchen mit dem Perlenohrring und Wandteppichkünstlerin Margret Eicher.

(Foto: Stefania Landesmann)

Mit bildgewaltigen Collagen hält es einen Spiegel der Medienkultur. Er entlarvt ihre leeren Ikonen und ihre vermeintlich heilsame, virtuelle Zukunft. Das Wichtigste: Der Betrachter hat vor seinen Gobelins für den Bruchteil einer Sekunde den Eindruck, vor historischen Gobelins zu stehen. Doch bevor man vielleicht gelangweilt wegschaut, tauchen plötzlich Armeen von Legofiguren auf. Dazwischen liegen Pokémon und Ninja Turtles. Ist das nicht Lara Croft? Ist Lady Gaga da? Beyoncé? Wo suchen Schauspielerin Scarlett Johansson oder Whistleblower Julian Assange? In die Öffentlichkeit, in ein anderes Leben?

Die Charaktere der digitalen Welt verbinden Vergangenheit und Gegenwart mit Eicher durch ihr ikonisches Potenzial. „Für den Betrachter werden die Giganten der Massenmedien zu verkaufsfähigen Objekten. Collage ist demokratisch und ein Medium, das aus Protest entstanden ist. Letztlich kombiniere ich das aristokratische Bildmedium mit der Technik des Protests der Unterschicht“, sagt der Konzeptkünstler. Millimeter für Millimeter arbeitet er an seinen Collagen, um ihnen ihre fotografische Wirkung zu nehmen. So entsteht schließlich das Bild auf dem Stoff.

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Mittelalterliches Weben gründlich entstaubt: In „La Grande Bouffe“ zeigt Eicher, dass Frauen die männliche Vorherrschaft herausfordern können.

(Foto: Foto: Richard Rabensaat)

Geboren in Viersen im Rheinland, wusste Margret Eicher schon in der Oberstufe, dass sie Künstlerin werden wollte. An der Akademie der Bildenden Künste in Düsseldorf hatte sie es in den 1970er Jahren als Frau und mit ihrer fotorealistischen Malweise nicht immer leicht. „Ich war von ziemlichen Machos und Draufgängern umgeben. Ich habe mehr aus der Atmosphäre an der Akademie gelernt als aus den Gesprächen dort. Snobistische, abwertende Äußerungen spuken einem manchmal wochenlang im Kopf herum und gewinnen irgendwann die Oberhand“, berichtet sie mit ihrem sanften Rheingesang in ihrer Stimme. Dieses “Wow, du zeichnest toll” ging ihr irgendwann auf die Nerven. „Ich finde diese Einschränkung für eine talentierte Person sehr beunruhigend“, sagt sie mit Nachdruck.

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Tapisserien in einer neuen Version

Der Ausweg war die von ihr erfundene „CopyCollage“: Sie produzierte ihre Fotos halbautomatisch mit einem Fotokopierer. Und sie hat Erfolg – ​​ihre Werke werden gekauft und in Sammlungen aufgenommen. Ganze Räume in Museen stattet er mit seinen ornamentalen Mustern aus. Bereits hier extrahiert er Bilder aus Politik und Werbung, setzt sich mit Codes, Normen und Stereotypen auseinander. Sie ist fasziniert von der Macht der Bilder, die sie hinterfragt. Im Jahr 2000 widmete sie sich schließlich ihren Medienteppichen und Pixeln. In der Zwischenzeit bat sie um Kaffee in ihrer Küche. Mag er geordnete, geordnete Arbeit am Computer? „Schaut euch um, ich habe keine Schwierigkeiten, Ordnung zu schaffen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um die Struktur des Bildes oder um das Leben geht. Natürlich strukturiere und komponiere ich gerne.“ In der Küche hat alles seinen Platz.

Während einer mehrwöchigen Reise an die Loire im Jahr 1999 war der Künstler zunächst zurückhaltend gegenüber der extremen Konzentration mittelalterlicher Wandteppiche der dortigen Schlösser. „Am Anfang ist das spontane Gefühl etwas erstickend. Irgendwann wurde mir klar, dass das, was ich mit meinen CopyCollages mache, auch auf Gobelins zu finden ist.” Er meint Muster als Prinzip, nicht ästhetisch, sondern sozial, prototypisch. Die Realisierung des ersten Teppichs dauerte fast zwei Jahre. Sie musste nicht nur den Umgang mit einem Computer lernen, sondern auch eine Weberei finden. Der eine oder andere in ihrem Gefolge riet ihr von diesem Vorhaben ab. Aber der Erfolg kam wieder – und blieb.

Margret Eicher nutzte die Zeit der Pandemie für ein fast verrücktes Großprojekt: Anderthalb Jahre arbeitete sie an Battle: Reloaded, einem 30 Meter langen und 1,2 Meter hohen Panorama. Dies ist ihre Paraphrase des Teppichs von Bayeux. Das über 900 Jahre alte Original zeigt die Schlacht von Hastings im Jahr 1066. Margret Eicher zeigt derzeit ihre Version von Krieg, Aneignung, Gewalt, Disharmonie und Dystopie in der Moritzburg, Halle. In ihrer „Kulturreportage“, wie sie es nennt, mischt sie Erzählungen aus der Populärkultur mit Zitaten aus der Kunstgeschichte. “Es ist eine Darstellung, wie man in die Schlacht zieht”, sagt er. Originalszenen aus dem Teppich von Bayeux ziehen sich wie eine Geschichte am unteren Bildrand entlang.

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Battle:Reloaded – Wahnsinn gedruckter Bilder eines mächtigen Wandteppichs für zu Hause.

(Foto: Juliane Rohr)

Aber ihre Stars sind Menschen mit Virtual-Reality-Brillen, King Kong, Batman und der Joker, Lady Gaga in einem Teleportationsgerät und Julian Assange. Urknall- oder Aztekenschlösser erscheinen ebenso wie Abhörgeräte aus der Zeit des Kalten Krieges und der Welt. Jeder Betrachter entdeckt und entschlüsselt etwas anderes. Margret Eicher richtet ihr beeindruckendes analoges Kunstwerk als persönliche Selbstbestätigung gegen den blinden Bilderkult, aufgezwungene Muster und verzerrte Machtstrukturen in der virtuellen Welt.

Kampf: Neu geladen. Bis 8. Januar, Kunstmuseum Moritzburg, Friedmann-Bach-Platz 5, 06108 Halle. Begleitprogramm mit öffentlichen Führungen hier.

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