
Der Deutsche Richterbund fordert mehr Mittel zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität


Die Anklagebank im Gerichtssaal des Landgerichts München in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim
Quelle: Carsten Höfer/dpa/Archivbild
Zu Beginn des Wirecard-Prozesses in München sucht die Justiz nach mehr Möglichkeiten, diese Art von Kriminalität zu bekämpfen, und im Interview mit WELT spricht der Bundesdirektor über die fehlende technische Ausstattung und den Kampf um Nachwuchskräfte mit großem Recht Firmen.
vViele Gerichte und Staatsanwaltschaften sind nicht in der Lage, große Wirtschaftskriminalität wie den Fall Wirecard zu verfolgen. Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, sieht dringenden Handlungsbedarf.
WELT: Herr Rebehn, ist der Staat bereit, Wirtschaftskriminalität zu verfolgen?
Sven Rebehn: Während die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Großstaatsanwaltschaften gut aufgestellt und hochspezialisiert sind, ist dies nicht in allen Bereichen der Fall. Gerade kleine Staatsanwaltschaften stoßen bei komplexen Wirtschaftsstrafsachen an ihre Grenzen. Bei den Gerichten gibt es ein ähnliches Problem. In kleineren Gerichten bedeuten gemischte Abteilungen, dass komplexe Fälle von Wirtschaftskriminalität längere Wartezeiten haben, da sie durch vorrangige Verwahrungsfälle aus anderen Kriminalitätsbereichen verdrängt werden. Bezogen auf alle Bereiche der Strafverfolgung fehlen in den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten mehr als 1.000 Stellen.
WELT: Was fehlt am meisten?
Rebehn: Die technische Ausstattung muss insgesamt verbessert werden, damit Strafverfahren gegen Angestellte effizienter verfolgt werden können. Beschlagnahmte Datenmengen im Petabyte-Bereich übersteigen die Bewertungskapazität vieler Ermittlungsbehörden. Fachkanzleien können oft nicht nur mehr Personal einstellen, sondern sich auch auf die beste IT verlassen. Intelligente Bewertungssoftware, die regelmäßig von Anwaltskanzleien eingesetzt wird, steht den Ermittlungsbehörden nicht überall zur Verfügung.
In vielen Fällen ist die Datenverarbeitung und -analyse ein Engpass. Deshalb sind Bund und Länder gemeinsam verpflichtet, deutlich mehr in die IT-Infrastruktur zu investieren und die Zahl der Untersuchungsstellen zu erhöhen. Um die Justiz auf das Niveau ihrer gewachsenen Aufgaben zu bringen, bedarf es einer breiten Investitionsoffensive.
WELT: Können Sie bei den Gehältern mit Wirtschaftskanzleien mithalten?
Rebehn: Das Gehalt eines Justizanfängers liegt im Landesdurchschnitt bei rund 55.000 Euro brutto pro Jahr. Vergleichbar qualifizierte Anwälte in Großkanzleien bezogen vor fünf Jahren auf der ersten Karrierestufe ein Durchschnittsgehalt von 118.000 Euro, Juniorpartner verdienen laut Vergütungsstudie durchschnittlich 179.000 Euro. In den vergangenen Jahren hat die Justiz bei Gehaltsvergleichen mit Unternehmen und Großkanzleien immer weiter an Boden verloren.